Wer keinen Garten oder Balkon hat, holt sich eben den Wald in die Wohnung. Mit vertikalen Gärten kann man jede Zimmerwand in ein Beet verwandeln.
Viele Städter starren derzeit neidisch auf die Gärten und die Dachterrassen ihrer Mitbürger. Doch auch in einer balkonlosen Wohnung kann man sich einen Sommerwald pflanzen – und das sogar ganzjährig. „Vertical Gardens“ oder „Hängende Gärten“ nennt man die Methode, eine Zimmerwand in eine Pflanzenfläche zu verwandeln.
„Es funktioniert wie ein Blumentopf“, erklärt der Schweizer Designer Christophe Marchand sein Verticalis-System, für das er gerade mit dem Red Dot Design Award ausgezeichnet worden ist. Sein Bepflanzungskonzept ist – im Gegensatz vielen anderen „Hängenden Gärten“ – ressourcenschonend: es hat keine integrierte Bewässerung, braucht keinen Strom und keine Leitungen.
Mehr als 1.000 Gäste aus der Designwelt, Industrie, Gesellschaft und Medien feierten am 4. Juli 2011 die Sieger des red dot design award – traditionell im Essener Opernhaus, dem Aalto-Theater. Anschließend wird Verticalis in einer vierwöchigen Sonderausstellung im red dot design museum öffentlich präsentiert.
„Blumentöpfe nehmen Platz weg oder stehen, schlimmer noch, irgendwo in der Ecke“, sagt Marchand. Wer die Zimmerwand als Alternative begreife, büße keinen Raum ein und bekomme darüber hinaus einen grünen Luftverbesserer auf ganzer Breite. Die einzelnen Kästen von „Verticalis“ funktionieren modular, lassen sich also zu einer Flächenbegrünung aneinanderreihen – und sind mobil. Einfach Löcher in eine andere Wand bohren, Dübel rein, schon kann eine andere Wand begrünt werden. Ob alle Pflanzen in Marchands Hängegärten funktionieren, ist noch nicht abschließend geklärt, „wir testen noch“, sagt der Designer.
„Für mich ist es die Interpretation eines begrünten Gemäldes an der Wand“, sagt Marchand über sein Konzept der Zeit Online. „Ein Gemälde, das sich verändert und das man pflegen kann.“ Am besten gefällt ihm die Idee, seine Konstruktion für ein „Funktionsbild“ in der Küche zu nutzen – mit wuchernden Kräutern.
Erfunden wurde das System „Hängende Gärten“ von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Verschiedene Designer haben sie auf ihre Weise interpretiert. Als Wandtasche, als Stangensystem mit Satellitenschalen oder Wasserflaschen.
Das bekannteste Vorbild für kunstvoll bepflanzte Wandflächen sind wohl die Biotope Patrick Blancs. Der Franzose begann einst als Botaniker und wird inzwischen von Architekten wie Jean Nouvel oder dem Schweizer Duo Herzog & de Meuron beauftragt, Wände ihrer Bauten mit Pflanzen zu bespielen. Unter anderem gestaltete er die grüne Fassade des Berliner Edelkaufhauses Galeries Lafayette in der Friedrichstraße. Blanc hat mit dem Prinzip der begrünten Außenflächen eine Marke geschaffen. Seine Inspiration waren tropische Wälder in Asien und die staunende Erkenntnis, wie viele Pflanzen ohne Erde, scheinbar in der Luft, existieren können. Ein System, dem er jahrelang hinterhertüftelte.