Die ETH-Studie «Energiezukunft Schweiz» ist ab sofort als Download verfügbar. Die Studie von Experten des Energy Science Center der ETH Zürich hat die technologische und wirtschaftliche Machbarkeit eines schrittweisen Ausstiegs aus der Kernenergie untersucht.
Die vorliegende ETH-Studie untersucht Optionen für die Gestaltung eines nachhaltigen Energiesystems für die Schweiz bis zur Mitte dieses Jahrhunderts. Relevante Randbedingungen sind ein zwingend erforderlicher Beitrag zur globalen Einhaltung der wissenschaftlich erhärteten Klimaziele, der von Bundesrat und Parlament angekündigte schrittweise Ausstieg aus der Kernenergie und gleichzeitig die Gewährleistung der Versorgungssicherheit des Landes mit Energie. Der skizzierte Weg stützt sich sowohl auf technologische („bottom-up“) als auch auf ökonomische („top-down“) Modellansätze.
Das Autorenkollektiv – alles Forschende des Energy Science Center (ESC) der ETH Zürich – kommt in der Studie zum Schluss, dass ein schrittweiser Ausstieg aus der Kernenergie, so wie von Bundesrat und Parlament beschlossen, technologisch grundsätzlich machbar und volkswirtschaftlich verkraftbar ist. Die Studie macht aber auch klar, dass noch grosse Anstrengungen in allen Sektoren und auf allen Ebenen der Gesellschaft vonnöten sind, damit die angestrebte Energiewende unter Einhaltung der gesteckten Klimaziele und ohne Wohlstandsverlust möglich wird. Auch die (ETH-)Forschung ist gefordert, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zum Beispiel im Bereich der Energiespeicherung und der Stromnetze neue Erkenntnisse zu gewinnen, damit der in der Studie antizipierte technologische Fortschritt auch tatsächlich stattfinden kann.
Damit die Schweiz ihren Beitrag zur Erreichung der globalen Klimaziele leisten kann, wird man für das Heizen der Häuser und für das Autofahren auf kurzen Strecken in Zukunft weniger fossile Brennstoffe verbrauchen und mehr auf Strom setzen müssen. Die Autoren weisen dem Strom im Energiesystem der Zukunft eine Schlüsselrolle zu und schätzen die Nachfrage fürs Jahr 2050 auf eine Bandbreite zwischen 66 und 92 Terawattstunden (TWh). Das «Szenario Mittel» beziffert die Stromnachfrage mit 79 TWh. Demgegenüber steht ein Portfolio von erneuerbaren Technologien, die über die nächsten Jahrzehnte im nationalen Strommix eine zunehmend wichtige Rolle spielen werden.
Wenn, wie vorgesehen, alle fünf Schweizer Kernkraftwerke zwischen 2020 und 2040 schrittweise abgeschaltet werden, dann wird die Schweiz gemäss Studie im Jahre 2050 ihren Strom vor allem aus Wasserkraft (50 Prozent), Photovoltaik (15-20 Prozent), Biomasse (6-10 Prozent), Geothermie (0-10 Prozent) sowie Wind (3-5 Prozent) beziehen. Schliesslich geht die Studie davon aus, dass ein verbleibender Teil des Strombedarfs (0-20 Prozent) importiert oder durch Gaskraftwerke, mit CO2-Abtrennung nota bene, produziert wird. Im Jahr 2050 sollte sich die Menge der importierten Energie gegenüber heute um rund 65 Prozent reduzieren, was ganz im Sinne der Versorgungssicherheit sei, so die Autoren.
Ein zweiter Teil der Studie beschäftigt sich mit den Auswirkungen eines Umbaus des Energiesystems auf die Wirtschaft. Dabei dienten die Berechnungen zum künftigen Potential der erneuerbaren Energien und zu den Kosten der neuen Technologien als Datengrundlage für die makroökonomische Modellierung. Die wesentlichen Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden: Das für das Jahr 2050 errechnete Einkommensniveau wird im Fall eines Ausstiegs aus der Kernenergie lediglich mit zirka einem Jahr Verzögerung erreicht.
Die Verteuerung der fossilen Energien und der Umstieg auf erneuerbare Energien führen zu moderat ansteigenden Energieausgaben. Wie die Autoren schreiben, werden die Energiekosten jedoch zu keinem Zeitpunkt so stark ansteigen, dass sie nicht aus dem zusätzlichen Einkommen gedeckt werden könnten. Höhere Energiepreise haben schliesslich auch veränderte Investitionsanreize und einen Strukturwandel zur Folge. Davon würden vor allem diejenigen Sektoren profitieren, in denen überdurchschnittlich viel Innovation zu erwarten sei (zum Beispiel Maschinenindustrie). Aber die Studie sagt allen Wirtschaftssektoren, wenn auch in unterschiedlichem Ausmass, mit einer nachhaltigen Energieversorgung ein positives Wachstum voraus.
Die ETH Zürich hat ihre Forschungsanstrengungen im Energiebereich in den letzten Jahren laufend erhöht: So sind z.B. 2009/10 vier neue Professuren im Bereich Energietechnik entstanden: Christian Franck und Hyung Gyu Park, Assistenzprofessoren für Energietechnik; Jürgen Biela, Professor für Hochleistungselektronik; Christoph Müller, Assistenzprofessor für Energiewissenschaft und Energietechnik. 2011 sind zwei weitere Professuren (Thomas Schmidt und Maksym Kovalenko) im Bereich Elektrochemie und -speicherung hinzugekommen. Auch im nachhaltigen Bauen gab es neue Professuren, so z.B. jene von Arno Schlüter am Institut für Technologie in der Architektur.
Quelle: ETH Life von Roman Klingler.