Am Donnerstag 26. August 2010 fand an der Empa Akademie in Dübendorf der 5. Innovation Day 2010 des Textilverbandes Schweiz TVS stand unter dem Motto «Textil verlässt seine Grenzen». Die vielen Referate gaben den 250 Teilnehmenden jede Menge Anregungen, die beim Networking in den Pausen diskutiert wurden.
Ein erfrischendes Referat über Zeitgeist, Trends, Stil, Mode hielt Jeroen van Rooijen, Redaktionsleiter des monatlich der NZZ und NZZ am Sonntag beiliegenden Magazins «Z – die schönen Seiten». Er beleuchtete aktuelle Trends. In den Megacities dieser Welt seien schöne Beispiele textiler Architektur und mobiler Wohnungen zu finden. Textilien könnten als Leichtbaumaterial für Autos dienen, der Klimawandel erfordere Kleidung mit verbesserter Schutzfunktion, die Nachhaltigkeit wiederum eher natürliche Fasern und Materialrecycling. Dem Trend zur totalen Individualität mit Massanfertigungen steht die soziale Verantwortung für alle entgegen. Das vermehrt digitale Leben verlangt nach interaktiver Mode, das Bedürfnis nach «Wellbeing» nach weichen, sensitiven Stoffen, die Gesundheits- und Fitnesswelle fordert noch mehr Funktionalität der Kleidung. Alles grosse Herausforderungen an die Schweizer Textilwirtschaft. Für Julian Eichhoff von Institut für Textiltechnik an der RWTH Aachen sind «smarte» Textilien solche mit elektronischen Funktionen oder funktioneller Ausrüstung beziehungsweise auch funktionelle Bekleidungssysteme. Elektronische Bauteile und textile Elektronik wie gestickte Leiterbahnen und textile Schalter eröffnen neue Geschäftsmöglichkeiten. Die Verlagerung der Funktionalität in die Faserebene bietet noch mehr Möglichkeiten: Dadurch können Fasern leuchten oder für angenehm warme Füsse sorgen. In der Medizin lassen sich so die Vitalfunktionen von Babys, der Flüssigkeitshaushalt betagter PatientInnen oder die Herztätigkeit von LeistungssportlerInnen überwachen. In Entwicklung sind Bodenbeläge, die durch textile Sensoren unerlaubte Eindringlinge melden, und Temperatursensoren, die Feuerwehrleute vor gefährlichen Situationen warnen oder der Einsatzleitung Informationen über die Leistungsfähigkeit ihrer Leute geben. Mit Sensorsystemen ausgerüstete Seile vermindern den Wartungsaufwand bei Liften und Fallschirmen.
Empa-Forscher Manfred Heuberger stellte seine Arbeiten mit elektronisch leitenden Fasern vor. Sein Ziel sind elektronische Textilien dank metallisierten Fasern. Lukas Scherer, auch Empa-Wissenschaftler, sprach über optisch leitende Fasern, zum Beispiel für Leuchttextilien zur photodynamischen Therapie.
Weben mit Metallfäden ist eine Herausforderung für Alex Simeon (Hochschule Rapperswil) und Martin Jettler (G. Bopp + Co. AG). Die Drähte müssen dünner als 1/15 eines menschlichen Haares sein, erst dann lassen sie sich zu Geweben zum Sieben, Filtrieren oder für den Siebdruck verarbeiten. Wie sich Textilien beim Design von Fassaden oder Gebäuden einsetzen lassen, zeigte Andrea Weber Marin, Professorin an der Hochschule Luzern für Design + Kunst anhand einer Machbarkeitsstudie für textile Fassaden. Peer Haller vom Institut für Stahl- und Holzbau der TU Dresden wiederum nutzt Textilien zum Verstärken von tragenden Holzbauteilen. Der so erzeugte Verbundwerkstoff zeigt gegenüber Holz allein verbesserte Eigenschaften hinsichtlich Festigkeit, Steifigkeit und Verformbarkeit.
Karl Böhlen, Experte für Nanostrukturen bei der Firma 3D AG, «färbt» Textilien ohne Pigmente, allein durch Lichtbrechung und holografische Effekte. Projektionen in Innen- und Aussenräumen werden auf Textilien mit Mikro- und Nanostrukturen durch entsprechendes Dimensionieren und Inszenieren realisiert. Um die Gleitfähigkeit von Skifellen ging es bei Albert Roux und Vitus Schweizer von der Firma Colltex, die in der Schweiz rund die Hälfte der 90’000 pro Jahr weltweit verkauften Skifelle herstellen. Gefragt sind Felle, die auf jedem Schnee und bei unterschiedlichen Temperaturen ähnlich gut gleiten.
Als gelungenen Abschluss liessen Tünde Kirtein und von der Schweizerischen Textilfachschule STF interaktive Kleider vorführen, die durch Bewegung plötzlich Gewittergeräusche von sich geben, Blitze aussenden oder bei denen aufgenähte Federn elegant im Wind tanzen. Und ihr Kollege Heinrich Schenk zeigte, wie Textilien auch noch eingesetzt werden können, beispielsweise zum Verhüllen des Reichstags in Berlin, ein Kunstwerk von Christo und Jeanne-Claude.